Abschluss und Umsetzung des Vertrags, Sanktionen

Was muss beim Vertragsabschluss beachtet werden und was ist zu berücksichtigen bei der Umsetzung des Vertrages insbesondere bei Nachträgen oder Rahmenverträgen? Welche Sanktionen stehen während einem Beschaffungsverfahren und auch danach zur Verfügung?

Hinweis:
Die IVöB nennt jeweils nur die männliche Form (z.B. «Auftraggeber»), das BöB dagegen nur die weibliche Form (z.B. «Auftraggeberin»). Die gemeinsame Arbeitsgruppe des Bundes und der Kantone hat sich aus Gründen der Lesbarkeit zu dieser Lösung entschieden. Der Beschaffungsleitfaden TRIAS übernimmt diese Festlegungen analog zu den beiden Erlassen IVöB und BöB, mit der Farbgebung zur Kennzeichnung der Unterschiede wie im Leitfaden generell.

Abschluss und Umsetzung des Vertrags, Sanktionen

7.1 Vertragsabschluss

Abschlusserlaubnis

Mit dem Zuschlag wird die Auftraggeberin ermächtigt (aber nicht verpflichtet), auf Grundlage der Ergebnisse des Vergabeverfahrens und des gewählten Angebots den Vertrag mit der Zuschlagsempfängerin abzuschliessen. Gleichzeitig darf die Auftraggeberin aber auch keinen Vertrag mehr mit Dritten über die zugeschlagenen Leistungen abschliessen.

Zeitpunkt

Bei A-Post-Plus- und eingeschriebenen Sendungen kann der Sendungsverlauf online nachverfolgt werden (https://www.post.ch/de/empfangen/sendung-verfolgen). Bei der Beschwerdeinstanz kann allenfalls nachgefragt werden, ob eine Beschwerde eingegangen ist. Zu beachten ist, dass eine Nachfrage beim Gericht erst nach erfolgter Zustellung der Verfügung und Ablauf der Rechtsmittelfrist von 20 Tagen sowie einer Wartezeit von ungefähr fünf Tagen sinnvoll erscheint.

Zu beachten sind die folgenden Unterschiede zwischen Bund und Kantonen/Gemeinden:
Bei Auftragsvergaben nach BöB ist danach zu unterscheiden, ob der Auftrag unter den Staatsvertragsbereich (mit vollem Rechtsschutz) oder in den Nicht-Staatsvertragsbereich (mit eingeschränktem Rechtsschutz) fällt:

  • Bei Aufträgen im Nicht-Staatsvertragsbereich darf ein Vertrag mit der berücksichtigten Anbieterin nach erfolgtem Zuschlag abgeschlossen werden.
  • Bei Aufträgen im Staatsvertragsbereich darf der Vertrag erst nach Ablauf der Beschwerdefrist abgeschlossen werden, es sei denn, das Bundesverwaltungsgericht erteilt einer Beschwerde gegen den Zuschlag die aufschiebende Wirkung. Dieser Entscheid des Gerichts muss abgewartet werden. In der Regel erlässt das Gericht nach Eingang der Beschwerde eine verfahrensleitende Zwischenverfügung, welche diese Vorgaben beinhaltet.

Bei Auftragsvergaben nach IVöB darf der Vertrag mit dem berücksichtigten Anbieter erst nach Ablauf der Beschwerdefrist abgeschlossen werden, es sei denn, die kantonale Beschwerdeinstanz habe einer Beschwerde gegen den Zuschlag aufschiebende Wirkung erteilt. Dieser Entscheid des Gerichts muss abgewartet werden. Je nach kantonaler Praxis erlässt das Gericht nach Eingang der Beschwerde eine verfahrensleitende Zwischenverfügung, worin das Gericht anordnet, was zu tun ist.

Bei fehlendem oder abgelehntem Gesuch um aufschiebende Wirkung

Ist ein Beschwerdeverfahren gegen den Zuschlag hängig, ohne dass die aufschiebende Wirkung verlangt oder gewährt wurde, so darf der Vertrag abgeschlossen werden (Hinweis: es muss feststehen, dass gegen diesen Entscheid keine Beschwerde erhoben wurde). Die Auftraggeberin ist verpflichtet, den Vertragsabschluss dem Gericht umgehend mitzuteilen.

Bei Abweisung der Beschwerde

Art. 42 BöB/IVöB regelt nicht, was nach einer Abweisung der Beschwerde gilt. Weil Beschwerden an das Bundesgericht grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung zukommt, ist die Auftraggeberin grundsätzlich mit Erhalt des erstinstanzlichen Entscheids zum Vertragsabschluss ermächtigt. Vorbehalten bleibt das Rechtsmissbrauchsverbot. Wird eine Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Entscheid angekündigt, muss die Auftraggeberin nach geltender Bundesgerichtspraxis mit dem Vertragsschluss noch kurze Zeit abwarten, ob die Beschwerde mit Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung tatsächlich eingereicht wird. Praxistipp: Ca. 10 Tage zuwarten und dann erst den Vertrag abschliessen.

Zuschlag und Vertrag

Grundsatz: Verbot wesentlicher Änderungen

Der Vertrag bildet grundsätzlich den Inhalt des Zuschlags ab, der das «Scharnier» zwischen Vergabe- und Vertragsrecht ist. Der Auftraggeberin ist es sowohl während den Detailverhandlungen als auch nach dem Abschluss des Vertrags verboten, in erheblicher Weise von den Inhalten und Geschäftskonditionen gemäss dem Zuschlag abzuweichen, selbst wenn die angestrebten Vertragsänderungen im Einverständnis mit der Zuschlagsempfängerin erfolgen würden. Unwesentliche oder in der Ausschreibung bereits angekündigte Änderungen sind hingegen erlaubt (vgl. Urteil BVGer B-4387/2017 vom 8. Februar 2018, E. 9.2).

Umgang mit Änderungen

Unwesentliche Änderungen

Unwesentlichen Änderungen, welche nach dem Zuschlag notwendig werden, dürfen im Vertrag vorgenommen werden, z.B. in Form von Detailregelungen, Konkretisierungen oder Präzisierungen unklarer oder offengelassener Punkte im Vertrag. Unwesentliche Änderungen sind solche, die den Zuschlag an die Zuschlagsempfängerin nicht in Frage stellen und am Ergebnis des Vergabeverfahrens – Auswahl des betreffenden Anbieters, Rangfolge der Angebote, Kreis der potenziellen Anbieter der Leistungen – nichts ändern. Falls aber mit den Änderungen vorteilhaftere Angebote vorhanden gewesen wären oder der Kreis der Anbieter sich verändert oder vergrössert hätte, darf der Vertrag nicht entsprechend geändert werden.

Beispiel: Änderungen von Nebenpunkten (z.B. Farbe oder Design von Mobiliar) kommen in der Praxis häufig vor und sind eher als unwesentlich zu qualifizieren, sofern sie keine Auswirkungen auf den Anbieterkreis und die Rangfolge der Angebote im Vergabeverfahren haben, d.h. die Zuschlagsempfängerin die gleiche bleibt.

Wesentliche Änderungen

Wesentliche Änderungen nach dem Zuschlag sind solche, die das Ergebnis des Vergabeverfahrens in Frage stellen. Muss angenommen werden, dass wahrscheinlich ein anderes Angebot vorteilhafter bewertet worden wäre, wenn der geänderte Beschaffungsgegenstand oder andere Konditionen von Anfang an ausgeschrieben und zugeschlagen worden wären, handelt es sich um eine unzulässige wesentliche Änderung. Gleiches gilt, wenn aufgrund der Änderung anzunehmen ist, dass wahrscheinlich (auch) andere Anbieterinnen am Vergabeverfahren teilgenommen hätten. In beiden Fällen darf die Änderung des Beschaffungsgegenstands oder der Bedingungen im Vertrag nicht vorgenommen werden. Massstab für diese Beurteilung ist somit die Auswirkung auf die Rangfolge der Angebote gemäss Evaluation für den Zuschlag sowie die Auswirkung auf den Kreis der potenziellen Anbieter (Auswirkung auf den Submissionswettbewerb). Kontrollfrage: Hätte der Zuschlag unter den geänderten Bedingungen einer anderen Anbieterin erteilt werden müssen oder wären Angebote von anderen Anbieterinnen als den teilnehmenden zu erwarten gewesen?

Beispiele:

  • Eine wesentliche Änderung liegt vor, wenn die Zuschlagsempfängerin durch Fusion verändert wird und/oder massgebendes Schlüsselpersonal wechselt ohne adäquaten Ersatz zu stellen und die Eignung in Frage steht.
  • Aus anderen Gründen wegfallende Eignung der Zuschlagsempfängerin.
  • Nachträgliche und einseitige Berücksichtigung der Teuerungsklausel.
  • Statt der ausgeschriebenen Software in Lizenz soll neu auf eine OpenSource-Software gewechselt werden, welche die Zuschlagsempfängerin ebenfalls anbietet.

In der Ausschreibung vorgesehene Änderungsmöglichkeiten

Sehen die Ausschreibung bzw. Ausschreibungsunterlagen Änderungsmöglichkeiten vor, wie z.B. Optionen, Alternativen oder ein Recht zur Bestellungsänderung oder sonstige, bereits vorgegebene Vertragsanpassungen (wie z.B. Eventualpositionen), so darf die Auftraggeberin davon ohne weiteres Gebrauch machen, auch wenn sie zu wesentlichen Änderungen des Beschaffungsgegenstands führen. Je nach Formulierung in der Ausschreibung kann die Änderung vor Vertragsabschluss oder auch erst bei Umsetzung des Vertrags, also nach Vertragsabschluss erfolgen.

Dokumentation

Die Phase zwischen dem Zuschlag und dem Vertragsschluss ist anfällig für unzulässige oder sogar missbräuchliche Abweichungen vom Zuschlag, vor allem, weil dann für die anderen Anbieterinnen im Vergabeverfahren keine Transparenz mehr besteht und das Vergabeverfahren abgeschlossen ist. Die Vergabegrundsätze wirken jedoch auch in dieser Phase nach und müssen beachtet werden. Deshalb müssen gemäss dem Transparenzgebot die Ergebnisse der Detailverhandlungen schriftlich festgehalten bzw. protokolliert werden (nachvollziehbare Dokumentation).

Rechtsschutz

Nicht berücksichtigte Anbieterinnen könnten bei der Auftraggeberin auch nach dem Zuschlag – als Reaktion auf eine ihrer Ansicht nach unzulässige Änderung – einen Widerruf des Zuschlags verlangen, der bzw. dessen Ablehnung den Rechtsweg öffnen würde.

Widerruf des Zuschlags

Widerrufsverfahren

Ein rechtskräftig erteilter Zuschlag kann aus den in Art. 44 Abs. 1 und 2 BöB/IVöB exemplarisch aufgeführten Gründen widerrufen werden. Die Widerrufsgründe sind die gleichen wie die Ausschlussgründe. Der betroffenen Anbieterin ist der Widerruf des Zuschlags in Form einer Verfügung mit Rechtsmittelbelehrung mitzuteilen. Der geltend gemachte Widerrufsgrund ist zu begründen.

Erfolgt der Widerruf nach Vertragsabschluss, hat die Auftraggeberin zusätzlich zu den vergaberechtlichen Bestimmungen auch zu überlegen, welche Folgen der Widerruf für den Vertrag hat (z.B. vorzeitige Kündigung nach den Vertragsregeln) und in welcher Reihenfolge die notwendigen Schritte vorzunehmen sind.

Rechtsfolge: Rückkehr in das Vergabeverfahren

Der Widerruf betrifft unmittelbar nur die Zuschlagsempfängerin.

Ist der Vertrag noch nicht abgeschlossen, lebt das Vergabeverfahren als Folge des Widerrufs wieder auf. Es bestehen danach die folgenden Handlungsoptionen:

1) Neuer Zuschlag: Bei einem Widerruf kann der Zuschlag nicht ohne weiteres der zweitplatzierten Anbieterin erteilt werden. Je nach Widerrufsgrund und Situation nach verfügtem Widerruf ist allenfalls eine neue Bewertung erforderlich (z.B. wenn der Widerruf das preislich günstigste Angebot betraf und dadurch die bei der Preisformel einzusetzenden Parameter ändern). Zu prüfen ist zudem die Gültigkeit der Angebote Ein erneuter Zuschlag setzt in diesem Fall voraus, dass die neue Zuschlagsempfängerin ihre Offerte (ohne wesentliche Änderung) bestätigt bzw. erneuert. Je länger das Vergabeverfahren zurückliegt, umso unwahrscheinlicher ist es, dass die Auftraggeberin nach einem Widerruf den Zuschlag neu erteilen kann. Im offenen und selektiven Verfahren ist auch der neue Zuschlag gemäss Art. 48 Abs. 1 BöB/IVöB auf www.simap.ch zu veröffentlichen. Im Übrigen kann auf die Ausführungen im Schritt 6 (#6.2) hingewiesen werden. Zu beachten sind die kantonalen Ausführungsbestimmungen.

oder

2) Abbruch des Verfahrens und evtl. Neuausschreibung des Auftrags: Je nach Widerrufsgrund (z.B. bei Korruption, unzulässigen Wettbewerbsabreden oder Verstössen gegen das UWG, veränderten Rahmenbedingungen oder wenn keine Anbieter verbleiben) muss das Verfahren ganz abgebrochen und gegebenenfalls wiederholt werden. Abbruch und Wiederholung des Verfahrens werden den Anbieterinnen in Form einer Verfügung mit einer Begründung und mit Rechtsmittelbelehrung mitgeteilt und im offenen und selektiven Verfahren zusätzlich elektronisch unter www.simap.ch veröffentlicht. Zu beachten sind die kantonalen Ausführungsbestimmungen.

Ist der Vertrag bereits abgeschlossen, richtet sich die Auflösung des Vertragsverhältnisses in erster Linie nach den Regeln im Vertrag selber (z.B. Kündigungsregeln) und allfälliger AVB / AGB, oder gegebenenfalls nach den allgemeinen Bestimmungen des OR. Eine allfällige Entschädigungspflicht der Auftraggeberin richtet sich in der Regel ebenfalls nach dem Vertrag bzw. dem Privatrecht.


7.2 Umsetzung Vertrag

Änderungen nach Vertragsabschluss («Nachtragsmanagement»)

Nach abgeschlossenem Vertrag richten sich Änderungen nach den Regeln des Vertrags (Nachtragsregelungen, Change Management des Vertrags), wobei auch solche vertraglichen Änderungen am Beschaffungsgegenstand oder den Konditionen den Rahmen des Zuschlags beachten müssen und diesen nicht in Frage stellen dürfen. Zudem gelten allfällige allgemeine Vertrags- und Geschäftsbedingungen der Auftraggeberin, welche unter Umständen Vertragsänderungen regeln. Auch bei der Realisierung ist zu prüfen, dass die im Vertrag vorgesehenen Umsetzungsvorgaben eingehalten werden.

Ursachen

Leistungsabweichungen können durch verschiedene beeinflussbare oder nicht beeinflussbare Ursachen hervorgerufen werden.

Beispiele für nicht beeinflussbare Faktoren:

  • Änderungen der Rechtslage;
  • Störung aufgrund externer ausserordentlicher Umstände (z.B. Wassereinbrüche, Erdbeben, Sturm, einschneidende behördliche Massnahmen, Störung des Arbeitsfriedens, ungünstige Witterung);
  • Einsprache in Plangenehmigungs- und Baubewilligungsverfahren
  • Projekte Dritter
  • neue Erkenntnisse

Beispiele für beeinflussbare Faktoren durch die Auftraggeberin:

  • technische, zeitliche oder organisatorische Fehlplanungen, neue Bauherrenvorgaben
  • fehlende, mangelhafte oder verspätete Angaben und Weisungen
  • Verletzung von Mitwirkungspflichten (zu späte Lieferung von Grundlagen der Ausführung: Zurverfügungstellung des Baugrundes, des Werkstoffes, etc.)
  • Bestellungsänderungen; Projektänderungen, Änderungen von Nutzungsanforderungen; Budgetänderungen, neue Anforderungen an Qualität

Beispiele für beeinflussbare Faktoren durch die Auftragnehmerin:

  • technische, zeitliche oder organisatorische Fehlplanungen
  • verzögerte oder mangelhafte Leistungen der Unternehmerin oder deren Subunternehmerin
  • Wahl einer anderen Ausführungstechnik gegenüber dem Vertrag

 

Auswirkungen

Abhängig vom Risiko- / Zuständigkeitsbereich:

  • Auftraggeberin: Anpassung der Vergütung und/oder Anpassung der vertraglichen Fristen/Termine.
  • Auftragnehmerin: keine Anpassung der Vergütung und/oder Anpassung der vertraglichen Fristen/Termine.

Siehe Schema in: Leitfaden zum Nachtragsmanagement bei Bau- und Baudienstleistungen der KBOB, S. 10.

Abwicklung von Nachträgen

Der nachfolgende Ablauf bezieht sich auf Nachträge der Auftragnehmerin, ist jedoch sinngemäss auch auf Bestellungsänderungen (Nachträge) der Auftraggeberin anwendbar:

  1. Feststellung der Leistungsabweichung;
  2. Nachtragsbegehren;
  3. Entscheid über Akzeptierung;
  4. Prüfung des Nachtragsbegehrens auf beschaffungsrechtliche Relevanz;
  5. Nachtragsvereinbarung zum Vertrag (Grundvertrag);
  6. Abrechnung der erbrachten Leistung.

Siehe Schema in: Leitfaden zum Nachtragsmanagement bei Bau- und Baudienstleistungen, Ausgabe 2022, S. 18.

Nachtragsbegehren

Das Nachtragsbegehren enthält die finanziellen, qualitativen und terminlichen Auswirkungen der mit der Genehmigung des Nachtragsbegehrens festgehaltenen Leistungsabweichung und des daraus resultierenden Mehr- oder Minderaufwands.

Prüfung der Nachtragsforderung / Entscheid

Die Auftraggeberin überprüft auf Basis des Grundvertrages zügig, ob die Nachtragsforderung gerechtfertigt ist. Daraus folgt ein Genehmigungsschreiben oder eine begründete schriftliche Ablehnung. Im Falle einer Ablehnung wird die Nachtragsforderung verhandelt.

Prüfung der beschaffungsrechtlichen Relevanz

Wesentliche Abweichungen von den Festlegungen in der ursprünglichen Zuschlagsverfügung sind grundsätzlich unzulässig, ausser sie wurden in der Ausschreibung bereits angekündigt (Variante, Option, Bestellungsänderung o.ä.). Kontrollfrage: Hätte der Zuschlag unter den geänderten Bedingungen einer anderen Anbieterin erteilt werden müssen oder wären Angebote von anderen Anbieterinnen als den teilnehmenden zu erwarten gewesen? In einem solchen Fall muss eine neue Ausschreibung durchgeführt werden. Ausnahmsweise kann eine freihändige Vergabe erfolgen.

Es stellt sich dabei zunächst die Frage, ob ein Nachtrag als im Rahmen des ausgeschriebenen Vertrags und als vom Zuschlag umfasst gelten kann. Dies liegt insbesondere vor, wenn (a) ein Vertragsänderungsmechanismus besteht oder (b) von einer unwesentlichen Änderung ausgegangen werden kann.

a) Werden bestimmte Änderungsmöglichkeiten und deren Folgen ausgeschrieben und vertraglich vereinbart, so gelten die auf dieser Grundlage vorgenommenen Leistungsabweichungen als vom Zuschlag erfasst.

b) Eine unwesentliche Änderung liegt vor, wenn mit hinreichender Sicherheit angenommen werden kann, dass zum Zeitpunkt der ursprünglichen Ausschreibung – wären die Leistungsabweichungen bereits dannzumal bekannt gewesen und entsprechend ausgeschrieben worden – erstens kein anderer Anbieterkreis zu erwarten gewesen wäre und zweitens keine andere Anbieterin den Zuschlag erhalten hätte (sog. Hypothese der unveränderten Bieterreihenfolge).

Ist der Nachtrag vom Vertrag abgedeckt, kann die Änderung ohne weitere vergaberechtliche Folgen erfolgen. Ist jedoch davon auszugehen, dass der Nachtrag über den im Zuschlag liegenden Rahmen hinausgeht, stellt sich die Folgefrage, inwiefern dieser Auftrag der bisherigen Auftragnehmerin erteilt werden kann.

Relevant ist diesbezüglich namentlich Art. 21 Abs. 2 lit. e BöB/IVöB, welcher eine freihändige Vergabe von Aufträgen unabhängig vom Schwellenwert zwecks Ersetzung, Ergänzung oder Erweiterung bereits erbrachter Leistungen erlaubt.

Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass auch bei freihändiger Vergabe ein Zuschlag, welcher den Schwellenwert für das offene oder selektive Verfahren erreicht / in den Staatsvertragsbereich fällt, veröffentlicht werden muss (vgl. Art. 48 Abs. 1 BöB/IVöB). Abgesehen von stichhaltig begründeten Ausnahmen darf die Gesamtsumme der auf Art. 21 Abs. 2 lit. e BöB/IVöB basierenden freihändigen Vergaben jene der Ursprungsbeschaffung nicht überschreiten.

Nachtrag zum Vertrag

Nach der Genehmigung ist eine Vertragsergänzung mittels Nachtrag zum Grundvertrag vorzunehmen. Nachträge zum Grundvertrag unterliegen in der Regel denselben Genehmigungsprozeduren wie der Grundvertrag.

Andere Leistungen

Die Auftraggeberin kann die Änderung von vereinbarten Leistungen verlangen.

Die Änderungen der Leistungen sowie die erforderlichen Anpassungen von Vergütung, Terminen und anderen Vertragspunkten werden in jedem Fall vor der Inangriffnahme weiterer Bearbeitungsschritte geklärt und schriftlich in einem Nachtrag zu diesem Vertrag vereinbart. Eine allfällige Anpassung des Honorars berechnet sich nach den Ansätzen der ursprünglichen Kosten- bzw. Berechnungsgrundlage zuzüglich Teuerung, sofern eine Teuerungsanpassung vertraglich vereinbart ist.

Der Auftraggeber entschädigt den Beauftragten für ausgewiesene und freigegebene Leistungen, die vor der Bestellungsänderung anfielen und durch diese nutzlos wurden.

Abruf von Leistungen (Rahmenvertrag)

Rahmenverträge mit einer Anbieterin:

Der Leistungsbezug erfolgt direkt bei der Zuschlagsempfängerin über Einzelverträge. Die auf dem Rahmenvertrag beruhenden Einzelverträge werden nach Massgabe des Rahmenvertrags abgeschlossen (dort ist meistens ein bestimmtes Abrufverfahren vereinbart bzw. geregelt). Dieser Abruf ist – immer im Rahmen des Vertrags – zulässig, auch wenn der Wert der Einzelbestellung über einem beschaffungsrechtlich relevanten Schwellenwert liegt. Die Auftraggeberin meldet den konkreten Bedarf an, welcher von der Anbieterin jeweils bestätigt und durch entsprechende Lieferung gedeckt und von der Auftraggeberin nach den im Rahmenvertrag definierten Konditionen vergütet wird.

Rahmenverträge mit mehreren Anbieterinnen:

Entweder wird die Leistung direkt abgerufen oder es kommt – soweit in der Ausschreibung bzw. im Rahmenvertrag vorgesehen – ein separates Abrufverfahren (kleiner Wettbewerb bzw. sog. Mini-Tender-Verfahren) zur Anwendung. In beiden Fällen sind den Anbieterinnen bereits in der Ausschreibung die Kriterien für den späteren Abruf der Einzelverträge bekanntzugeben und im Rahmenvertrag zu verankern, damit sie ihre Chancen realistisch bewerten können und Willkür beim Abruf verhindert wird. Der Rahmenvertrag muss objektive Kriterien festhalten.

Beispiel Direktabruf: In der Ausschreibung kann beispielsweise für den Vertrag ein sog. Rangfolgeabruf vorgesehen sein. Dabei fragt die Auftraggeberin die Rahmenvertragspartner in der Reihenfolge ihrer Rangierung der Angebote an, ob sie verfügbar sind und die Leistung erbringen wollen. Mit der ersten Vertragspartnerin, die ihre Verfügbarkeit zusagt, wird der Einzelvertrag abgeschlossen. Bedingungen und Leistungen sind bereits in und mit der Ausschreibung festzulegen.

Beispiel Mini-Tender: Die Auftraggeberin fordert alle Rahmenvertragspartnerinnen auf, zu einem konkreten Bedarf ein schriftliches Angebot einzureichen. Der Einzelvertrag geht an jenes Angebot bzw. jene Anbieterin, welche/s die Abrufkriterien (z.B. Verfügbarkeit an einem bestimmten Termin) am besten erfüllt. Bedingungen und Leistungen sind bereits in und mit der Ausschreibung festzulegen.

Direkter Abruf

Der direkte Abruf richtet sich nach den Bedingungen in den Rahmenverträgen (Wahl des vorteilhaftesten Angebots, ohne erneuten Aufruf zur Angebotseinreichung). Die Auftraggeberin erhält dadurch hohe (zeitliche) Flexibilität. Der direkte Abschluss eines Einzelvertrags setzt jedoch voraus, dass im Rahmenvertrag bereits sämtliche Vertragspunkte im Voraus festgelegt sind (z.B. Rangfolgeabruf mit klar definierten Bedingungen, Leistung und Preis). Dies kann sich bspw. bei kleinen Beschaffungsvolumen mit Rücksicht auf die Transaktionskosten rechtfertigen. Der direkte Abruf birgt aber ein Missbrauchspotential, wenn zwar viele parallele Rahmenverträge abgeschlossen werden, die Einzelverträge aber bspw. nicht in der Rangfolge, sondern immer mit der bevorzugten Anbieterin abgeschlossen werden. Deshalb ist es empfehlenswert, auch Direktabrufe jeweils zu dokumentieren.

Mini-Tender-Verfahren

Das Mini-Tender-Verfahren erfolgt in drei Schritten:

  1. Die Auftraggeberin teilt den Rahmenvertragspartnerinnen den konkreten Bedarf jeweils vorgängig mit;
  2. setzt eine angemessene Angebotsfrist für die Abgabe der schriftlichen Angebote für jeden Einzelvertrag; und
  3. schliesst den Einzelvertrag mit der Partnerin ab, welche das jeweils gestützt auf die Bedingungen in den Ausschreibungsunterlagen bzw. im Rahmenvertrag vorteilhafteste Einzelangebot abgegeben hat.

Es dürfen keine neuen Zuschlagskriterien festgelegt oder angewandt werden als diejenigen, welche in den Ausschreibungsunterlagen oder im Rahmenvertrag definiert sind (Art. 25 Abs. 5 lit. d BöB/IVöB). Bei standardisierten Produkten (wie Büroverbrauchsmaterial) kann das Mini-Tender-Verfahren auch als elektronische Auktion (Art. 23 BöB/IVöB) ausgestaltet werden, was zur Senkung von Transaktionskosten und zu Zeiteinsparungen führen kann.

Rechtsschutz

Bei den Vergaben der Einzelaufträge (sei es direkt, durch Wahl des vorteilhaftesten Angebots oder durch separate Abrufe im Mini-Tender-Verfahren) ist die Submissionsbeschwerde im Gesetz ausdrücklich ausgeschlossen.

Ein Beschwerderecht der Anbieterin bleibt einzig in Fällen, in welchen die vergebenen Einzelverträge nicht bzw. nicht mehr durch den Zuschlag gedeckt sind (Überschreitung des maximalen Leistungsumfangs oder der Vertragslaufzeit) oder der Rahmenvertrag nachträglich wesentlich (insbesondere preis- und/oder mengenbezogen) geändert wird. Ansonsten besteht für Vertragsstreitigkeiten der zivilrechtliche Rechtsschutz.


7.3 Sanktionen

  • Verletzung von Bestimmungen über die Bekämpfung der Korruption
  • Unzulässige Wettbewerbsabreden
  • Missachtung von Arbeitsschutzbestimmungen, Arbeitsbedingungen, Lohngleichheit, Vertraulichkeit, Umweltschutzgesetzgebung im In- und Ausland (gemäss Art. 12 BöB/IVöB)
  • Verstoss gegen Melde- oder Bewilligungspflichten nach dem Bundesgesetz gegen die Schwarzarbeit.

Vorabklärungen der Auftraggeberin / Sofortmassnahmen; Eröffnung, Durchführung und Abschluss des Sanktionsverfahrens

Bitte konsultieren Sie diesbezüglich die Ausführungen im Faktenblatt Sanktionen.

Querverweise

Rechtsschutz

Gegen die Sanktionsverfügung kann die sanktionierte Anbieterin, Subunternehmerin oder deren Organe Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht bzw. bei der kantonalen Beschwerdeinstanz führen.

Liste

Die BKB / Das InöB führt die Liste der für künftige Aufträge gesperrten Anbieterinnen und Subunternehmerinnen.
Jede gemeldete Sperre wird auf der Liste mit den folgenden Angaben verzeichnet:

  • Datum der Meldung
  • Meldende Auftraggeberin
  • Name (Firma) und Adresse der gesperrten Anbieterin oder Subunternehmerin
  • Grund der Sperre
  • Dauer der Sperre

Die Angaben gemäss Art. 25 Abs. 2 VöB können von Auftraggeberinnen oder ihren untergeordneten Vergabestellen auf entsprechendes Ersuchen bei der BKB eingesehen werden.

Wichtig: Den Auftraggeberinnen wird kein generelles Einsichtsrecht, sondern lediglich ein konkretes Recht auf Anfrage, ob eine bestimmte Anbieterin verzeichnet ist, eingeräumt. Sie wenden sich hierfür an die BKB. Die Behörde erteilt die Auskunft, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind.

Ein Recht auf Anfrage steht auch den Auftraggeberinnen, die den Vorschriften der IVöB unterstehen zu, allerdings nicht direkt bei der BKB, sondern beim InöB oder der kantonalen Auskunftsstelle. Über ein Recht auf Anfrage, ob sie verzeichnet sind (Eigenauskunft) verfügen schliesslich auch die Auftragnehmerinnen und Subunternehmerinnen.


Sanktionsgründe

Art. 45 BöB/IVöB enthält eine abschliessende Aufzählung von Gründen, gestützt auf welche die Auftraggeberin oder die nach gesetzlicher Anordnung zuständige Behörde eine vergaberechtliche Sanktion (Verwarnung, Busse von bis zu zehn Prozent der bereinigten Angebotssumme, Sperre von künftigen öffentlichen Aufträgen für die Dauer von bis zu fünf Jahren) prüfen muss. Neben den gesetzlichen, vergaberechtlichen können auch vertragsrechtliche Sanktionen vereinbart sein. Zu denken ist etwa an die Vereinbarung einer Konventionalstrafe.

  • Rechtskräftige Verurteilung wegen eines Vergehens zum Nachteil der Auftraggeberin oder wegen eines Verbrechens: Das Erfordernis einer rechtskräftigen Verurteilung der Anbieterin / Subunternehmerinoder deren für sie handelnden Organe bezieht sich nicht nur auf das StGB, sondern auch auf weitere Strafbestimmungen in anderen Gesetzen, wie bspw. im USG.

7.4 Vertragsübertragung und vorzeitige Beendigung

Vertragsübertragung

Ob bzw. unter welchen Voraussetzungen eine Vertragsübertragung möglich ist (z.B. bei Fusionen, Übernahmen oder anderen Umstrukturierungen), beurteilt sich nach den für das Vertragsverhältnis massgebenden (in der Regel zivilrechtlichen) Rechtsgrundlagen (OR, allenfalls SIA-Ordnungen, allenfalls vorbehältlich davon abweichender, in oder mit der Ausschreibung bekanntgegebener AGB/AVB).

Verhältnis zum Vergaberecht

Eine Auswechslung der Zuschlagsempfängerin stellt dabei grundsätzlich eine wesentliche Änderung dar, welche von der vergaberechtlichen Abschlusserlaubnis kaum mehr abgedeckt wäre.

AVB

Als Beispiel für eine mögliche Regelung in AVB kann auf Ziff. 13 der AVB KBOB für Leistungen in der Objektbewirtschaftung verwiesen werden.

«Ziff. 13 Vertragsübertragung […]

13.1 Unter Vorbehalt von Ziffer 13.2 hernach können das Vertragsverhältnis oder Rechte und Pflichten daraus von jeder Partei nur mit schriftlicher Zustimmung der Gegenpartei übertragen […] werden. […]

13.2 Der Auftraggeber kann das Vertragsverhältnis […] ohne Zustimmung des Beauftragten auf eine andere Gesellschaft des Auftraggebers übertragen […]. Sich daraus für den Beauftragten ergebende Nachteile entschädigt der Auftraggeber angemessen.»

Vertragsrücktritt, vorzeitige Beendigung des Vertrages

Ob bzw. unter welchen Voraussetzungen ein Vertragsrücktritt bzw. eine vorzeitige Beendigung des Vertrages möglich ist, beurteilt sich nach den für das Vertragsverhältnis massgebenden (in der Regel zivilrechtlichen) Rechtsgrundlagen (OR, allenfalls SIA-Normen, allenfalls vorbehältlich davon abweichender, in oder mit der Ausschreibung bekanntgegebener AGB/AVB).

Mögliche Gründe/Beispiele

Mögliche Gründe für einen Vertragsrückritt, eine vorzeitige Beendigung des Vertrages sind:

  • Verzug,
  • Falschlieferung,
  • Mängel.
  • Vgl. zudem Widerrufsgründe gemäss Art. 44 Abs. 1 und 2 BöB/IVöB.
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Legende

Rot = Bundesebene
Blau = Kantone, Städte, Gemeinden
Orange = Staatsvertragsbereich

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